Die Verteidigung von Kenan Ayas erklärt, dass die für Kenan Ayas eingelegte Revision am 6. Januar 2025 begründet worden ist. Mit seiner Revision wendet sich Kenan Ayas gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 2. September 2024, mit dem er zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden ist.
Wie die Verteidigung bereits in ihrem Plädoyer dargelegt hatte, gibt es schlicht keine ausreichende Beweisgrundlage für die Behauptung, Kenan Ayas sei Regionalverantwortlicher der PKK in Deutschland gewesen. Auch in der Urteilsbegründung wird mehrfach darauf hingewiesen, dass die Beweisführung schwierig gewesen sei, eine „Gesamtschau“ der Beweise den Tatvorwurf jedoch stützen würde. Diese „Gesamtschau“ besteht aus einer Aneinanderreihung von für sich genommen nichtssagenden SMS, deren Zuordnung zu Kenan Ayas und daraus abgeleiteten (vermeintlich von ihm vorgenommen) legalen Aktivitäten. Das Gericht selber schreibt: „[Kenan Ayas] Tatbeteiligung beschränkte sich auf isoliert betrachtet legale Tätigkeiten in Europa, wo die PKK/KCK keine Anschläge begeht.“
Auch die Begründung für die hohe Strafe von vier Jahren und drei Monaten ist völlig unzureichend. Das Gericht hat die von Kenan Ayas in der Türkei erlittene Folter und rechtswidrige Inhaftierung sowie die Menschenrechtsverletzungen, die das türkische Regime an Kurdinnen und Kurden begeht, nicht ausreichend berücksichtigt. Obwohl das Gericht in seinem Urteil selbst feststellt, dass „eine legale pro-kurdische Politik bis heute [in der Türkei] praktisch nicht möglich“ ist, zieht es aus dieser richtigen und wichtigen Feststellung keine Konsequenzen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Verteidigung. In der Revisionsbegründung werden zunächst Verfahrensfehler gerügt. Das Gericht habe gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit verstoßen, Beweisanträge zu Unrecht abgelehnt und den Gehalt der Versammlungs- und Meinungsfreiheit nicht ausreichend berücksichtigt. In einem weiteren Schritt wird die Verteidigung noch die materiellen Fehler des Urteils darlegen, insbesondere die fehlende Beweisgrundlage rügen.
Über die Revision muss nun der Bundesgerichtshof entscheiden. Das Revisionsverfahren kann sechs Monate und länger dauern. Bis zur Entscheidung über die Revision ist das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts nicht rechtskräftig. Kenan Ayas befindet sich daher weiterhin in Untersuchungshaft.
Der nächste Schritt der Verteidigung wird sein, gegen diese unverhältnismäßig lange und harte Untersuchungshaft vorzugehen. Die Haftbedingungen von Kenan Ayas haben sich nicht verbessert. Besonders schwer wiegt für ihn, dass er von Informationen weitgehend abgeschnitten ist. Er hat kein türkisches oder kurdisches Fernsehen, kein türkisches oder kurdisches Nachrichtenradio und darf nicht mehr als acht Bücher in seiner Zelle haben.
Hätte Kenan Ayas das fehlerhafte Urteil akzeptiert und keine Revision eingelegt, wäre er längst nach Zypern zurückgeschickt worden. Er sitzt nur noch deshalb in Untersuchungshaft, weil er sich gegen das Urteil wehrt.
Berlin, Nikosia 13. Januar 2025
Antonia von der Behrens, Berlin
Efstathios C. Efstathiou, Nikosia